Welche Kultur braucht virtuelle Führung?
Virtuelle Teams bringen häufig nicht nur eine Veränderung der gewohnten Zusammenarbeit, sondern auch der Kultur mit sich. Die räumliche und soziale Distanz erfordert von Unternehmen, Bereichen und einzelnen Teams ein klares Bekenntnis für – und eine klare kulturelle Ausrichtung auf – die folgenden drei Dimensionen:
- Leistungsorientierung: Es braucht ein ausgeprägtes Leistungsdenken bei Mitarbeitern und Führungskräften, welches bei der hohen Eigenverantwortung in der Virtualität die klare Richtung für erwartungsgerechte Arbeitsleistungen vorgibt.
- Menschorientierung: Es braucht neben einem positiven Menschenbild ein sehr hohes Maß an Vertrauen in die eigene Selbständigkeit, Disziplin und Leistungsbereitschaft – und die der anderen. Virtuelle Führung bedarf nicht etwa gesteigerter Kontrolle, sondern intensiverer Begleitung.
- Prozess-/Projektorientierung: Das Steuern und Begleiten virtueller Teams erfordert noch mehr Klarheit in Erwartungen, Zielen, Abläufen und Verantwortlichkeiten. Da sich Missverständnisse „auf dem kleinen Dienstweg“ in virtuellen Teams schwerer ausräumen lassen, sind Eindeutigkeit und Transparenz umso wichtiger.
Diese drei kulturellen Dimensionen bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Leistung braucht Vertrauen und Klarheit in den Erwartungen. Leistung bringt aber auch Vertrauen, und die entsprechenden und passenden Prozesse ermöglichen Leistung.
Welches Medium für welchen Anlass?
Jedes Medium und jeder Kanal bringt mit Blick auf die Kommunikation unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich. Die nachstehenden Hinweise geben eine erste Orientierung. Für die Kommunikation in virtuellen Teams ist es für Führungskräfte wichtig zu entscheiden, welche Kommunikation über welchen Kanal oder welches Medium gestaltet wird. Grundsätzlich sollte innerhalb einer Organisation, eines Bereichs oder einer Unit ein abgestimmtes Vorgehen mit den jeweiligen Teams oder dem jeweiligen Team gelten. Für die Mitarbeiter ist es wichtig zu wissen, welche Kommunikation oder welche Botschaften/Inhalte über welchen Kanal kommuniziert werden. Das schafft Sicherheit und Transparenz.
- Das Telefon und mehr noch die Video-Telefonie sollten Führungskräfte immer zum Dialog mit Mitarbeitern nutzen, wenn sie ein gemeinsames Verständnis zu einem Sachverhalt oder einer Situation herbeiführen oder Beziehungsarbeit im Sinne von „Vertrauen aufbauen und pflegen“ wollen. Nur das Telefon und die Videotelefonie können über Körpersprache, Mimik oder Gestik Kontext-Informationen transportieren, die für das Verständnis und das Vertrauen so relevant sind. Und nur über diese Kanäle können Führungskräfte auch die wichtige „emotionale Präsenz“ über räumliche Distanz zeigen. Die Erfahrung zeigt, dass wir in diesen Situationen dennoch auf andere Kanäle ausweichen, weil sie vermeintlich schneller und bequemer sind. Zusätzlich verführt uns die soziale Distanz, die Emotionalität auch mal zu vermeiden. Aber hier sind gerade Führungskräfte gefordert, die notwendige Disziplin an den Tag zu legen.
- Der klassischen Schriftkanal E-Mail wird genutzt, wenn es erforderlich ist, Vereinbarungen zu fixieren und verfügbar zu machen oder allgemein eine Dokumentation wichtig ist. Der Schriftkanal liefert keine relevanten Kontextinformationen, dementsprechend weit ist sein Interpretationsspielraum, weshalb er für den Beziehungsaufbau und den Verständnisdialog weniger geeignet ist. Er ist zuvorderst ein Informationskanal für jene Informationen, die nicht über andere und bekannte Systemkanäle, etwa Projekträume im Social Intranet, adressierbar sind.
- Messenger wie SMS, WhatsApp und andere sind schnelle Kanäle, auf denen sich kurze Informationen in hoher Geschwindigkeit austauschen lassen. Deren User sind schnelle Reaktionen gewohnt. Verwenden Führungskräfte diese Kanäle, müssen sie sich des hohen psychologischen Drucks bewusst sein, den sie damit aufbauen. Zudem sind solche Kanäle weder effektiv, noch sind sie für Beziehungsarbeit im Team wirklich geeignet – obwohl sie einen immer größeren Raum in unserem Leben einnehmen. Messenger sollten also von Führungskräften nur für die schnelle Kommunikation zwischendurch und Information auf individueller Ebene eingesetzt werden, oder als Ersatz für den kleinen Smalltalk „zwischen Tür und Angel“.
Zusammenfassend sollten Führungskräfte also immer nach dem Prinzip verfahren, dass je mehr Effektivität und Emotionalität für die Kommunikation wesentlich sind, umso mehr sollten sie jene Kanäle nutzen, die mehr Kontext-Informationen transportieren.