Vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichten wir auf dem Newshub einen Beitrag zu Künstlicher Intelligenz und Automatisierung in der Kommunikationsarbeit, in dem 52 konkrete Tätigkeiten innerhalb der Unternehmenskommunikation untersucht wurden, um herauszufinden, wie diese bereits heute durch Künstliche Intelligenz und Automatisierung unterstützt werden. Zu nennen sind hier unter anderem die Analyse von Daten und natürlicher Sprache, die Erstellung von Chatbots oder das Aufgeben digitaler Werbung – Tendenz stark steigend.
5 Tipps für intelligente Automatisierung im Marketing
In diesem Beitrag geht es um Automatisierung im Marketingkontext, die der Kommunikation zwar nahesteht, aber dennoch eine eigene Fachdisziplin darstellt. Im Fokus steht der Artikel mit dem Titel „Intelligente Automatisierung im Marketing“ von Prof. Dr. Marcus Schögel und Mauro Luis Gotsch vom Institut für Marketing und Customer Insight der Universität St. Gallen, welcher 2021 in der Zeitschrift Wirtschaftsinformatik & Management erschien. Die beiden Experten begleiteten in den letzten Jahren verschiedene Automatisierungsprojekte in Marketingabteilungen und verdichten ihre Learnings in fünf Empfehlungen, die sie Marketingentscheidern zum Einstieg in Automatisierungsprojekte ans Herz legen.
Beginnen wir mit dem Status: Die Experten stellen fest, dass die allgemeine Diskussion, also der Hype, zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung im Marketing in aller Regel der täglichen Praxis in den Unternehmen weit vorauseilt. Diese tägliche Praxis ist gekennzeichnet durch analoge Prozesse, Listen und Daten, die oftmals nicht in einer integrierten oder digitalen Form vorliegen. Von einer tiefergreifenden Analyse und prädiktiven Nutzung ganz zu schweigen.
Im Kern gilt es für Unternehmen, Ansatzpunkte und Gestaltungshinweise zu bieten, wie mit hoch entwickelten Automatisierungsansätzen intelligente Lösungen für relevante Herausforderungen in Marketing und Vertrieb entwickelt werden können.
Dem entgegen steht der Fakt, dass Gartner, ein führendes IT-Marktforschungs- und Beratungsunternehmen (welches man vor allem im Zusammenhang mit dem Hype Cycle kennt), die Themen Hyperautomation und Artifical Intelligence als bedeutende Technologietrends der nächsten Jahre benennt. Das schafft bei vielen Marketingentscheidern Unsicherheiten, wie entsprechende Entwicklungen intern angestoßen werden können und wo Investitionen notwendig sind.
Hier nun eine verkürzte und leicht angepasste Zusammenfassung der 5 Empfehlungen:
1. Den „richtigen“ Automatisierungspfad erkennen
Ein Sprung von 0 auf 100 ist, wie in anderen Bereichen, selten möglich und sinnvoll. Tatsächlich gibt es hier verschiedene Ausbaustufen, für die die Ressourcen in personeller und IT-infrastruktureller Hinsicht erst geschaffen werden müssen bzw. die aufeinander aufbauen, um eine intelligente Automatisierung zu erreichen.
Der erste Schritt wird als regelbasiertes Marketing beschrieben. Hier geht es um Heuristiken und Entscheidungshilfen, wie sie oftmals in Verkaufstrainings oder internen Leitlinien festgehalten werden. Etwa: Bei Verkauf eines bestimmten Produktes erfolgt eine Empfehlung für ein weiteres. Oder: X Tage nach Download einer Produktinfo folgt eine E-Mail mit weiteren Informationen und einem Angebot zur persönlichen Beratung. Oftmals liegen diese Daten noch unstrukturiert vor und Prozesse werden manuell angestoßen.
Im zweiten Schritt, dem datengetriebenen Marketing, werden Daten bereits über Computer erfasst und ausgewertet. Auf Basis dieser vorliegenden Daten können Mitarbeitende dann individuell und datenbasiert beraten, wie wir das etwa aus der Finanzberatung oder der Automobilbranche kennen, wenn Verkaufsgespräche mit Hilfe von bestehenden Kundenprofilen durchgeführt werden.
Der dritte Schritt, die Marketing-Automatisierung, setzt da an, wo bestehende Prozesse bereits vielfach erfolgreich getestet wurden. Hier können (einfache) Prozesse automatisiert angestoßen werden, etwa durch die Nutzung von Chatbots. Beispiele für konkrete, automatisierte Aufgaben sind Terminvereinbarungen, Adressänderungen, Updates zum Bestell- oder Lieferstatus oder aber Schadensmeldungen.
In dem vierten und letzten Schritt, der intelligenten Automatisierung, werden IT-Systeme selbständig lernen (z.B. durch Machine Learning) und Entscheidungen treffen. Es ist umstritten, inwiefern große Tech Player diese Stufe bereits erreicht haben. Für die meisten - selbst fortgeschrittenen -Unternehmen ist diese Ausbaustufe aktuell wohl Zukunftsmusik.
Ziel all dieser Ausbaustufen ist es, auf Basis von Daten marketingrelevante Entscheidungshilfen zu konstruieren, auf deren Grundlage individualisierte Kontaktpunkte zu Kund:innen geschaffen werden können. Eine bestimmte Kunden-Handlung stößt also eine Reaktion des Unternehmens an. Je höher die Ausbaustufe, je höher der Grad an Automatisierung. Und: Je höher der Grad der Automatisierung, umso feinteiliger können natürlich die Kontaktpunkte gestaltet werden. Damit erhalten Unternehmen einen höheren Gestaltungsspielraum.
2. Respekt als Fundament des Kundendialogs
Ziel muss es sein, Kund:innen durch die (automatisierte) Interaktion mit dem Unternehmen Mehrwerte zu verschaffen. Allem voran sollte respektvoll mit der Zeit der Kund:innen umgegangen werden. Idealerweise bekommen sie also schneller Zugang zu den gewünschten Informationen bzw. können ihr Anliegen zielgerichteter platzieren, z.B. durch das sogenannte intelligente Routing, bei der Kund:innen vorab den Grund ihrer Kontaktaufnahme angeben und damit zielgenau zu den entsprechenden Mitarbeitenden weitergeleitet werden können.
Dabei sollten die Kund:innen aktiv entscheiden können, welche Daten seitens des Unternehmens genutzt werden und zu welchem Zweck. Kontaktpunkte sollten dort entstehen, wo sie sie erwarten und als Mehrwerte empfinden. Als Prinzipien gelten die von Seth Godin formulierten Ziele der Kundeninteraktion: Vorhersehbarkeit, Personalisierung, Relevanz. Im Kern sind dies auch die Prinzipien aus dem klassischen Dialogmarketing.
3. Customer Journey als Orientierungsrahmen für Automatisierungsprozesse
Grundsätzliche können verschiedene Technologien in verschiedenen Phasen der Customer Journey zum Einsatz kommen. Wo dies am sinnvollsten ist, hängt allerdings vom Zweck des Einsatzes ab. Geht es darum, Bedürfnisse und Lösungen zu entdecken, Alternativen abzuwägen, den Kauf zu tätigen oder Kund:innen in der Nutzung des Produktes zu unterstützen und Beziehungen zu ihnen aufzubauen? Für jedes dieser Szenarien gibt es verschiedene Tools und Einsatzmöglichkeiten.
In der Übersicht (Grafik „Customer-Journey-Phasen“) werden verschiedene Technologien und deren Nutzung über die Customer Journey hinweg beschrieben. Dargestellt sind unter anderem Voice Search, Chatbots, automatisierte Mailings, Ad Targeting und Predicitive Analytics. Bei der Nutzung von Chat- und Voicebots steht zum Beispiel oftmals die Lösungssuche am Beginn der Interaktion mit Kund:innen. Allerdings haben interne Projekte gezeigt, dass auch Prozesse bis hin zum Kauf gelingen können.
Wichtig: Auch die Messung des Erfolgs der entsprechenden Technologien muss an der Phase der Customer Journey ausgerichtet werden. So helfen Likes und Kommentare beispielweise bei der Messung von Marketinginhalten zur Verkaufsförderung (Engagement), geben aber noch keinen Aufschluss über konkrete Kaufhandlungen (Conversions) oder Zufriedenheit der Kund:innen bei der Nutzung (NPS).
4. Lernen, mit der Maschine zu kooperieren
Wie auch schon in dem letzten Beitrag zur Automatisierung der Kommunikation, stellt sich am Ende immer die Frage, was automatisiert werden kann, sollte und wird. Aktuell werden vor allem mechanische und klar definierbare (Teil-)Aufgaben automatisiert. In einem weiteren Schritt geht es dann um analytische Tätigkeiten. Danach folgen intuitive Aufgaben. Erst zuletzt werden Maschinen in der Lage sein, Aufgaben zu erfüllen, die menschliche Empathie voraussetzen. Soft Skills und Empathie bleiben also auch zukünftig wichtige, menschliche Eigenschaften, die es im Rahmen von Kunden- und Servicetrainings besonders zu fördern gilt. Eine Kombination von Mensch und Maschine bleibt aktuell der Königsweg. Saubere Übergaben zwischen Bots und Agenten sind hierbei essentiell.
5. Die Gefahren auf dem Weg beachten
Der unter Punkt zwei beschriebene Aspekt des Respekts spiegelt gleich auch einige der Gefahren wider, die bei der Umsetzung von Automatisierung lauern. Viele Verbraucher:Innen sehen sich den Automatisierungsaktivitäten seitens Unternehmen schutzlos ausgeliefert und in ihrer Privatsphäre verletzt. Mit der Einführung der DSGVO in 2018 und dem TTDSG in 2021 sollte die Position der Verbraucher:Innen gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund spielt eine rechtskonforme Nutzung eine wichtige Rolle. Eine frühzeitige Anonymisierung von Daten ist eine der Möglichkeiten, dieser Herausforderung zu begegnen.
Der Weg ist das Ziel!
Mit Blick auf die Komplexität des Themas wird schnell ersichtlich, dass Investitionen für eine intelligente Automatisierung Zeit und Geduld erfordern. Dies betrifft sowohl das Aufbauen von Kompetenzen bei der eigenen Belegschaft, aber auch den Aufbau einer dazu gehörigen IT-Infrastruktur, inklusive Prozessen. Der Sprung aus dem Stand zur intelligenten Automatisierung scheint unwahrscheinlich. Insofern macht es mehr Sinn, einfach loszulaufen!
Autor: Prof. Dr. David Wagner
Laufen wir gemeinsam!
MUUUH! Next hat sich auf die Automatisierung des digitalen Dialogs spezialisiert. Wir verfügen über breite Expertise in der Anwendung einer Vielzahl von Tools. Gern unterstützen wir Sie bei Auswahl und Implementierung der passenden Werkzeuge, der Programmierung von Chat-, Text- oder Voice-Bots oder der Automatisierung von Prozessen im Kunden- und Service-Center.
Ben Ellermann
E-Mail: ben.ellermann@muuuh.de
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