Aktuelle Diskussionen zeigen, dass sich Profifußballvereine in einem Spannungsfeld verschiedener Interessen und Anspruchsgruppen bewegen und unterschiedliche Ziele wie z. B. Kommerzialisierung, Fanleidenschaft und sportlichen Erfolg miteinander in Einklang bringen müssen. Die Corona-Lockdowns mit leeren Stadien haben 2020 und 2021 nicht nur finanziell einen kritischen Moment für die Vereine dargestellt, mit den fehlenden Stadionbesuchen ging für einen langen Zeitraum auch der intensivste und wichtigste Kontaktpunkt zu Fans verloren.
Darum ist Customer Experience Management für Fußballvereine so wichtig
Fußball in der Kritik
Die Lockdowns fielen in eine Zeit der generellen kritischen Auseinandersetzung mit dem Fußball, in den Kommentarspalten der sozialen Medien sind negative Aussagen zu Multi-Millionen-Verträgen, steigenden Ticket- und Merchandise-Preisen, der WM in Katar und einer Übersättigung an Spielen und Wettbewerben zu lesen. Zurzeit nehmen Gewalttaten in und rundum Stadien wieder vermehrt zu, so dass sich Zuschauer:innen genau überlegen, ob oder welches Spiel sie sich vor Ort anschauen möchten.
Kurzum: sogar eine Entfremdung zwischen Fan und Verein droht. Die Menschen haben sich neuen Aktivitäten im Lockdown gewidmet und werden mit praktisch unersättlichen Angeboten an digitalen Inhalten bespielt. Die Vereine befinden sich in einem universellen Wettbewerb um Zeit und Aufmerksamkeit.
Zielgruppen (zurück) gewinnen
Auf der anderen Seite gab es aber auch positive Entwicklungen wie die UEFA-Frauen-EM in England in diesem Jahr. Hier wurde gezeigt, welche Potenziale der Frauenfußball hat. Es gab volle Stadien, hohe Zuschauerzahlen und ein Interesse der breiten Öffentlichkeit. Am Ende stellt sich hier aber vor allem die Frage: Was bleibt von dieser EM? Färbt die Begeisterung nachhaltig auf Deutschland ab?
Denn: Für Vereine oder Verbände reicht es längst nicht mehr, sich mit anderen Vereinen zu vergleichen, nur mit einer übergreifenden, attraktiven Experience und einer aktiven Ansprache können Fans und Kund:innen gehalten und neue dazu gewonnen werden. Dies beeinflusst auch die Attraktivität der Vereine als Plattform für Sponsor:innen und Business Partner:innen.
Auf Basis dieser neuen Entwicklungen und Erkenntnisse haben wir die Ergebnisse unserer 2019/2020 durchgeführten Trendbefragung „Kundenmanagement im Profisport – Eine Bestandsaufnahme“ noch einmal genau betrachtet, in der Interviews mit CRM- und Service-Verantwortlichen von vier Fußball-Bundesligavereinen, einem Zweitligisten und einem großen Fußballverband durchgeführt und ausgewertet wurden.
Wie sieht die optimale Customer Journey aus?
Mehr denn je ist eine aktuelle Relevanz für das aktive Management der Customer Journey unter Berücksichtigung der verschiedenen Interessen und Sichtweisen gegeben. Damals haben wir fünf Handlungsfelder für ein erfolgreiches Customer Experience Management von Fußballvereinen identifiziert und ausgearbeitet, die im Folgenden dargestellt werden:
1. Customer Journey Personas
- Es gibt verschiedene Kunden- und Anspruchsgruppen, mit denen Vereine interagieren und kommunizieren müssen. Neben den Fans sind das z. B. auch Sponsor:innen und Business Partner:innen.
- Fußballvereine sollten diese Heterogenität berücksichtigten und in Personas und den jeweiligen Customer beziehungsweise Fan Journeys abbilden, die sich auf die gesamte Kundenreise und auf Touchpoints auch außerhalb der Spieltage beziehen.
- Ein Verein muss sich als Anbieter von Events und Erlebnissen verstehen, unter Berücksichtigung des Wettbewerbs mit anderen Großveranstaltungen, kulturellen sowie digitalen Angeboten (z. B. Streamingdiensten).
2. Service-, Qualitäts- und Beschwerdemanagement/-Organisation
- Die Bündelung von getrennt voneinander gewachsenen Servicebereichen im First Level ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Service-Organisation.
- Unter anderem mangels eigener Ressourcen wird der zentrale Service oft durch Outsourcing-Dienstleister erbracht. Dies muss unter einer wohlüberlegten Kosten-Nutzen-Betrachtung geschehen.
- Auch muss die Frage gestellt werden, inwiefern externe Dienstleister der Markenidentität und den lokal-kulturellen Eigenschaften der Fans gerecht werden, um die Bindung über die Kontaktkanäle hinweg zu stärken.
- Die Sicherheit im Umgang mit externen Dienstleistern durch kontinuierliches Qualitätsmanagement und einer professionellen Steuerung muss gegeben sein.
- Aufgrund der Leidenschaft und Emotionen, die der Fußball weckt, ist insbesondere beim Beschwerdemanagement „Fingerspitzengefühl“ gefragt.
3. Relationship Management und CRM-Systeme
- Einheitliche Kundendaten müssen als Basis für persönliche Ansprache und Interaktion und zur Gewährleistung einer optimalen Betreuung dienen.
- Als aktueller „Hype“ ist zu beobachten, dass Bundesligavereine aktiv dabei sind, CRM-Projekte umzusetzen.
- Das Aufbrechen von Datensilos ist dabei die Grundlage der verschiedenen Bereiche wie „Mitglieder“, „Ticketing“, „Merchandise“ und „B2B – Sponsoring/Hospitality“.
- Das kann auch als Mehrwert für bspw. Sponsor:innen und Business Partner:innen genutzt werden, indem durch zielgruppengerechte Kampagnen die Reichweite erhöht wird.
4. Analytics
- Durch fortgeschrittene Daten-Zusammenführungen und Analytics-Lösungen kann ein individueller und wertschöpfender Umgang mit den Zielgruppen vorangetrieben werden.
- Die Zielgruppenbindung kann durch Anwendungen wie der Churn Prevention oder einer personalisierten Ansprache gesteigert werden.
- Vertriebliche Weiterentwicklungen wie bspw. „Next Best Offers“ und gezielt durch Daten gesteuerte Kampagnen bieten erhebliches Vertriebspotenzial im E-Commerce.
- Der Reifegrad bei den Profifußballclubs unterscheidet sich deutlich und geht von rudimentären Business Intelligence Lösungen hin zur Beschäftigung von Data Scientists.
5. Omnichannel Management
- Der Shift von klassischen Kontaktkanälen zu digitaler Kommunikation wurde von Fußballvereinen früh erkannt und umgesetzt. Die Bindung der Zielgruppen kann so durch eine erhöhte Präsenz sowie die freie Wahl des Kommunikations- und Informationsmediums gestärkt werden.
- Die Vereine stehen allerdings vor organisatorischen, technischen und personellen Herausforderungen bei der Orchestrierung ihrer Kanäle. Bei der ganzheitlichen Omnichannel-Betrachtung gibt es für die Vereine noch ungenutzte Potenziale. Hier sollten sich Vereine die Frage stellen: „Habe ich wirklich eine 360°-Sicht auf meine Kontakte und kann kanalübergreifend synchron agieren?“
- Auch den Sponsor:innen und Business Partner:innen müssen hochwertige Kommunikations- bzw. Kollaborationsplattformen mit dem Verein und untereinander angeboten werden.
- Trends sind beispielsweise der Aufbau vereinseigener Apps, die Integration von Messaging-Lösungen auf der eigenen Plattform oder die Einführung von Kollaborations-Plattformen für bspw. Business-Clubs.
Alles für die Experience
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz notwendiger Kommerzialisierungsziele und gegebenenfalls angestrebter Internationalisierung Fans und Kund:innen aus Sicht der Vereine im Mittelpunkt des Handelns stehen. Daher muss ein nachhaltiges und beeindruckendes Erlebnis über alle Touchpoints hinweg geboten werden. Die Bemühungen im Kundenmanagement der Vereine müssen deswegen vorrangig unter dem Zeichen der Professionalisierung sämtlicher Kontakte und somit der Customer- bzw. Fan Experience stehen. Kommerzielle Motive spielen bei dieser Professionalisierung selbstverständlich auch eine zentrale Rolle, aber keineswegs ausschließlich.
Die Vereine starten dabei auf einer unterschiedlichen Absprungbasis der Professionalität, die Clubs nehmen diese Unterschiede zum Anlass für einen regelmäßigen Know-how-Transfer und unterstützen sich gegenseitig. Um das Thema Professionalisierung voranzutreiben, setzen Vereine auf Aufbau von hochqualifiziertem Personal auf allen Ebenen im Service, Vertrieb und Marketing.
Denn: Nur ein professionelles Kundenmanagement, das seine Zielgruppen in den Fokus stellt, kann diese langfristig binden, parallel dazu neue Zielgruppen erschließen und sämtliche Potenziale heben. Einmal angestoßen, resultiert aus dieser Entwicklung zwangsläufig eine wachsende Attraktivität für Sponsor:innen und Business Partner:innen.
Je erfolgreicher ein Verein das Management von Fans und Kund:innen also beherrscht, desto unabhängiger ist er von der kurzfristigen externen Wahrnehmung seiner sportlichen Erfolge und kann in weniger erfolgreichen Phasen die Ruhe bewahren.
Alles in allem ist die Integration der entscheidende Faktor: Vereinheitlichung der Datenbasis, Zentralisierung der Serviceorganisation, Vereinigung der Kundensicht in CRM-Systemen und die Orchestrierung der Kontaktkanäle als Faktoren zur Professionalisierung der Kundenkontakte und Umsetzung einer zielgruppenspezifischen, Persona-geleiteten Customer Journey.
Wie erreichen Sie Ihre Zielgruppen?
Wie beurteilen und managen Sie die Customer- und Fan-Experience bei Ihrem Verein oder Verband? Wo sehen Sie allgemein die Zukunft des Kunden- bzw. Fanmanagements im Profisport?
Gerne diskutieren wir gemeinsam mit Ihnen die relevanten CRM-Themen Ihres Clubs und liefern bei Bedarf punktgenaue Unterstützung für die wertschöpfende Entwicklung Ihrer Fan-Schnittstelle. Sprechen Sie uns gerne an!