Das Problem der Warteschleife ist jedoch nicht nur ihre Unberechenbarkeit. Es ist ihre bloße Existenz, denn wie Untersuchungen der Universität St.Gallen (HSG) aus dem Jahr 2014 belegen, schadet die Warteschleife zunehmend den Kundenbeziehungen. Die Kundenkommunikation wird immer schneller und Zeit immer wertvoller, Kunden werden immer ungeduldiger. Die Erreichbarkeit ist das A und O. Folglich ist die klassische Warteschleife vom notwendigen Übel zum ernsten Problem avanciert. Dennoch ist sie nur das Symptom lückenhafter Serviceprozesse und unsicherer Zukunftsprognosen.
Das Ende der Warteschleife
Die gesamte Menschheit verschwendet jedes Jahr mehr als 1,3 Millionen Jahre in den Warteschleifen von Callcentern, und jede noch so ausgefeilte Personaleinsatzplanung wird den Bedarf nicht minutengenau prognostizieren können. Daraus ergibt sich, dass entweder mehr Kunden anrufen, als erwartet, und infolgedessen der Service Level sinkt und es zu Warteschleifen und Drop Outs kommt. Oder es rufen weniger Kunden an, was zu Leerlauf bei den Agenten führt – eine teure Ineffizienz, die sich heutzutage kein Servicecenter leisten kann.
Wunschtermin statt warten.
Ideal wäre es, wenn Kunden einen festen Termin vereinbaren würden. In solch einem Szenario ließe sich der Agentenbedarf relativ einfach berechnen und planen. Eine erhöhte Produktivität bei gleichzeitig verkürzter Wartezeit am Telefon wäre die Folge – im besten Fall verschwände die Warteschlange sogar ganz.
Diese Dimension des Kundenservice ist keine Zukunftsmusik, wie das Schweizer Unternehmen ServiceOcean mit seiner Entwicklung beweist. Die Firma mit Sitz in St. Gallen gestattet Kunden an verschiedenen Kontaktpunkten die Buchung minutengenauer Servicetermine. Konkret wählen Kunden zunächst online, am Telefon oder über den Hinweis in einem Printmedium ihr Anliegen aus, bevor sie aus einer Liste freier Telefontermine die individuell passende Uhrzeit auswählen und ihre Kontaktdaten hinterlegen. Der Rest passiert vollautomatisch: Zur gewählten Wunschzeit ruft das Callcenter den Kunden zurück – aus einem kaum vorhersehbaren Inbound-Fall wird ein exakt planbarer Outbound-Fall. Dies ermöglicht das intelligente Management von Verfügbarkeiten mit einem Matching von Zeitressourcen. Das heißt, den Kunden werden nur Termine angeboten, die zur Auslastung passen und die Produktivität erhöhen. Wann? Wer? Und warum? Diese wichtigen Planungsgrößen stehen dem Callcenter jetzt zur Verfügung.
Callback versus Termin
Die intelligente Terminbuchung ist weit mehr als die bekannten Callback-Services, denn bislang können Kunden nur einen ungefähren Termin für einen Rückruf wünschen. Wenn ein Kunde einen Rückruf zwischen 14 und 16 Uhr bestellt, wartet das Routing während dieser Zeit auf eine geringe Auslastung. Irgendwann in diesem weit gefassten Zeitrahmen wird der Rückruf ausgeführt – wenn überhaupt. Doch erstens hält sich in der heutigen Zeit niemand nur für einen Rückruf ein Zeitfenster frei. Und zweitens fallen Rückruftermine aus dem System, wenn die Auslastung in der gebuchten Zeit nicht unter ein bestimmtes Niveau sinkt.
Auch neue Funktionalitäten einiger MultiChannel-Lösungen, die etwa eine SMS mit einem Anrufvorschlag schicken, lösen das Problem nur bedingt. Callcenter erhalten keine bessere Planungssicherheit, da nicht sicher ist, ob der Kunde zum vorgeschlagenen Termin anruft. Und was soll der Kunde tun, wenn er zu der empfohlenen Zeit verhindert ist? Was passiert, wenn viele Kunden auf den Terminvorschlag eingehen? Dann warten doch wieder alle in der Warteschleife und erhalten womöglich eine weitere SMS.
Intelligente Terminbuchungen beseitigen beide Probleme durch Verbindlichkeit. Denn verbindliche Termine verbessern das Kundenerlebnis, steigern den werthaltigen Kontakt und senken die Kosten. Kunden buchen minutengenaue Telefontermine und tragen den Termin mit einem Klick in den Smartphone-Kalender ein. Kurz vor dem Termin erhalten Kunden eine Erinnerung an das bevorstehende Servicegespräch. Zudem erhalten Kunden automatisch eine Bestätigungs-Mail mit allen Informationen. In dieser E-Mail befindet sich auch ein Link, um den Termin abzusagen und direkt neu zu buchen. Verbindliche Termine fallen niemals aus dem System und werden immer strikt eingehalten. Terminierte Telefonate haben oberste Priorität und ziehen quasi an der Warteschleife vorbei zum bestehenden Routing.
Terminbuchung rechnet sich
Intelligente Terminbuchungen eröffnen Callcentern zwei neue Chancen zur Differenzierung im Wettbewerb: Erstens steigern intelligente Termine die Produktivität. Callcenter leisten den gleichen Service Level zu geringeren Kosten. Zweitens verbessern Callcenter durch verbindliche Termine die Erreichbarkeit und die Servicequalität.
Setzen Unternehmen individuelle Termine ein, leisten Callcenter den gleichen Service Level zu deutlich geringeren Kosten. Kunden erreichen Callcenter über verschiedene „Einflugschneisen“ genau zum richtigen Zeitpunkt, etwa direkt aus der Warteschleife heraus, über die Website oder via QR-Code aus einer Werbung. Der Kundenberater ist durch den Termin auf das Gespräch vorbereitet und kennt den terminierten Kunden sowie sein Anliegen vorab, was die Gesprächszeit senkt und die Conversion Rate erhöht.
Aber es geht nicht nur um Erreichbarkeit. Vielmehr steigern intelligente Termine den wertorientierten Kundenkontakt. Servicezeiten richten sich nach Anliegen, sodass umsatzrelevante Anfragen eine bessere Erreichbarkeit haben. Termine sind erstmals reale Daten aus der Zukunft. Zukunftsdaten verbessern das Forecasting und steigern nochmals die Agentenauslastung. Die zugrundeliegende Software hat einen dynamischen Teil und lernt aus den Terminbuchungen. Das Terminangebot und der Kundendialog werden kontinuierlich verbessert. Zudem lassen sich Kunden zu konkreten Agentur-Mitarbeitern leiten und die Erreichbarkeit mit ihren Kalendern, etwa von Microsoft Outlook, abgleichen.
Gehen wir diese Idee einmal an einem Beispiel durch: Ein Agent kann unter Berücksichtigung der üblichen Gesprächszeiten maximal zehn Gespräche pro Stunde führen. Er ist dann zu 100 Prozent ausgelastet.
Leider schwankt das Call-Volumen zu bestimmten Zeiten. Mal kommt es zu ungeliebten Warteschleifen und mal sind die Agenten nicht völlig ausgelastet. So führt ein Agent bei 70 Prozent Auslastung zu manchen Tageszeiten nur sieben, anstatt der möglichen zehn Gespräche pro Stunde. Wenn nur ein Call pro Stunde aus der Warteschleife für diese anrufschwache Zeit terminiert wird, führt der Agent nun acht Gespräche pro Stunde. Die Auslastung steigt also von sieben auf acht Gespräche pro Stunde. Dieser kleine Unterschied steigert die Auslastung um 14 Prozent.
Intelligente Terminbuchungen verschieben die Calls aus der Warteschleife hinüber zu den Leerzeiten und glätten so die Wellenbewegungen bei den InboundCalls. Rechnet man dies auf alle Agenten hoch, wird die Kostenersparnis bei gleicher Serviceleistung deutlich. Eine Erkenntnis zum Abschluss: Es gibt keine Beziehung im Leben eines Menschen, egal ob privat oder beruflich, die ohne Termine funktioniert. Jede Beziehung ist auf verbindliche Termine angewiesen! Wenn Inbound-Callcenter mit minutengenauen Terminen arbeiten, steigen Servicequalität und Kundenbindung auf der einen und sinken Personalkosten sowie Planungsaufwand auf der anderen Seite.
Dr. Christian Stallkamp
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